Nur nicht ausschütten…

06082013KALEIDO

Wenn jemand 19 Ferraris in der Garage stehen hat, sind 5000 Pfund ein Betrag, der gerade einmal in die Kategorie “verschmerzbar” respektive “Portokasse” fällt. Für einen Cocktail ist das allerdings eine recht stolze Summe und macht nicht unbedingt einen alltäglichen Schlummertrunk oder ein schnelles “Flucht-Achterl”…

Guinness World Records, auch am Tresen

Ehrlich gesagt war es mir nicht einmal bewusst, aber es gibt sogar für die teuersten Drinks eine Eintragung im Guinness Buch der Rekorde. Der Club 23 in Melbourne hatte Anfang 2013 mit rund 12.000 Euro einmal den Vogel abgeschossen, 1858 Croizet Cognac und auch Salvatore Calabrese sei Dank. Mr. Playboy darf sich mit einem 5.500 Pfund-Cocktail zu den nicht ganz okkasionellen Trinkstätten zählen.

20130616_213917
Der Geist aus der Flasche

In der American Bar des Savoy Hotels gibt es ein eigenes Museum, wo an turbulenten Abenden Gäste empfangen und verwöhnt werden können, die noch auf einen Sitzplatz an der Hauptbühne warten. Die Wartezeit verfliegt vor lauter alten Ansichten, Karten, flüssigen Leckerbissen und Videobeiträgen. Viele Besucher werfen einfach nur einen neugierigen Blick in die Räumlichkeiten. Bedenkt man die Geschichte und Tradition, die das Haus umgeben, macht es durchaus Sinn, den Gästen einen Abriss von über 120 Jahren Trinkhistorie zu präsentieren. Bilder von berühmten Gästen und deren Gastgebern, alte drink menues und andere Schaustücke fügen sich also in das Bild, zusammen mit vintage spirits, alten Flaschen mit ebenso altem Inhalt – Zeitzeugen und Alkoholika aus einer längst vergangenen Zeit. (Als ich vor knapp zwei Wochen eines der Regale säuberte, durfte ich einige dieser Flaschen in die Hand nehmen… Ich versichere Euch, die Dinger fassen zwar auch nur 0,7 l, aber so ein Stück wiegt schon ganz ordentlich in der Hand. Man wird sehr, sehr vorsichtig beim Reinigen des Backbords.)

20130805_174148
Peanuts – keine Barsnacks

Hat man das nötige Kleingeld eingesteckt, kann man diese Flaschen sogar käuflich erwerben oder sich von den Herren im weißen Jackett damit einen Drink zubereiten lassen. So geschehen eines Samstagabends, als ein Gast sich das Geschmackserlebnis eines Original Sazeracs eine richtige Stange Geld Wert sein ließ. Mit größter Sorgfalt und natürlich etwas Trara, Klimbim und Drumherum wurde die Uralt-Flasche 1854 Forge et Fils Cognac entkorkt – was sich als wesentlich schwieriger erwies, als man jetzt glauben möchte. Dazu etwas genauso Uralt-Pernod Tarragona Absinth und ein paar vorsichtige Dashes Peychaud’s, datiert gegen Ende des 19. Jahrhunderts. 5000 Pfund – Peanuts…

Für mich, als leidenschaftlichem Spirituosenliebhaber, Vollblut-Bartender und Geschichtsfan, ist es schon etwas Besonderes, wenn man so einen flüssigen historischen Rückblick ins Glas zaubern und verkosten kann. Völlig unbeeindruckt bin ich hingegen von dem Wetteifern, das offensichtlich darum entbrannt ist, wer den teuersten Drink auf seine Karte setzen kann. Und – ganz vorsichtig und leise – wage ich zu behaupten, dass diejenigen, die sich so einen Luxus leisten, nicht immer auch der Sache an sich wegen eine solche Bestellung tätigen und das Getränk in all seiner “Wertigkeit” schätzen können oder wollen. Hier geht’s oft um Prestige und wer die größeren, Pardon!, Eier hat. Gegönnt sei es aber gewiss jedem, der so einen historischen Schluck tun kann.

Tja, dann bleibt eigentlich nur noch „Prost“ zu sagen, vielleicht nicht gleich auf „ex“ und besser nicht fallen lassen… Wäre schade drum!

Alles liebe und beste Spirits aus dem teuren London,
Euer Reini